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22.12.2020 | IM SLOT

Es ist notwendig...

Liebe Fans, eure Bemerkungen zur bevorstehenden Liga-Reform haben wir erhalten und zur Kenntnis genommen. Nachfolgend unsere Stellungnahme dazu.

Im Moment tobt eine Debatte um die Reorganisation der National League. Dabei werden diverseste Theorien verbreitet mit ebenso vielen Ratschlägen und Forderungen, warum man was nicht machen sollte oder dürfe. Notabene von Leuten, die noch nie einen Club geführt haben. Auf Seiten des SCB ist es so, dass wir seit 1999 bis zum Corona-Jahr immer schwarze Zahlen geschrieben haben. Dafür haben wir jeden Franken im Markt verdient – mit Eishockey und Gastronomie. So haben wir mit dem dritt- oder vierthöchsten Budget der Liga in den letzten zehn fertig gespielten Saisons fünf Titel gewonnen. Die Covid-Krise hat nun dazu geführt, dass wir bis vor drei Wochen nicht wussten, ob und wie wir die aktuelle Saison überleben. Jetzt wissen wir es und langsam, aber sicher können wir wieder anfangen, am neuen Nach-Covid-SCB zu bauen. Ob die Rahmenbedingungen aber jemals wieder die gleichen sein werden wie vor Corona weiss niemand. Wie nachhaltig die Wirtschaft Schaden nimmt auch nicht. Das heisst, wir wissen auch nicht, ob wir jemals wieder mit den gleichen Budgets operieren können wir vor der Krise. Das gilt ganz sicher auch für viele andere Clubs. Deshalb ist die jetzt diskutierte Liga-Reform äusserst wichtig. Was sind die neuen Ideen und warum werden sie verfolgt und warum ist es notwendig, dass diese auch umgesetzt werden? Nachfolgend einige Antworten aus Sicht des SCB:

1. Financial Fairplay
Es geht darum, langfristig einen gewissen Ausgleich zu schaffen und die Grenze zwischen den höchsten und den tiefsten Budgets etwas zu korrigieren. So werden eine Untergrenze (wieviel Geld muss ich mindestens für die Mannschaft einsetzen, um in der NL mitzuspielen) und eine Obergrenze (wieviel Geld darf ich maximal für die Mannschaft ausgeben) festgelegt. Definitiv greifen soll dieses Financial Fairplay ab der Saison 2025/26. Vorher ist es nicht nötig, weil die Clubs mit den Subventionen des Bundes zu einer Lohnkürzung gezwungen werden. Mit dieser Massnahme soll innerhalb der Liga dafür gesorgt werden, dass Geld vernünftig ausgegeben wird und es künftig in zehn Jahren mehr als nur drei verschiedene Meister gibt. Auch wenn ich selber am liebsten jedes Jahr Meister werden würde, befürworte ich eine gewisse Ausgeglichenheit der Meisterschaft.

2. Ligagrösse
Die neue Liga soll eine Grösse von 10 bis 14 Clubs haben (aktuell sind es 12). In einem kleinen Markt wie der Schweiz ist das schon relativ viel. Nichtsdestotrotz können sich diese Teams finanzieren und in der Liga für viele spannende Spiele sorgen. Aber der alljährliche Druck der Qualifikation für die Playoffs und vor allem jener der Abstiegsgefahr verschlingt in den Clubs am Strich Jahr für Jahr viel Geld. In Zukunft soll eine schlechte Saison nicht mehr darüber entscheiden, ob ein Club aus der Liga ausscheiden muss oder nicht. Es braucht eine nachhaltig schlechte Entwicklung sowohl sportlich wie auch finanziell, bis ein Club ausgeschlossen wird. Dies gibt den Clubs auch mehr Planungssicherheit. So war es vor der Krise für einen abstiegsgefährdeten Club praktisch unmöglich, Sponsoring- und Spielerverträge abzuschliessen. Das führt zu einer Negativspirale – sowohl finanziell wie sportlich. Viele werden jetzt womöglich sagen, dass sei egal. Ist es aber nicht. In den meisten Clubs arbeiten heute weit über 100 Personen, die in irgendeiner Funktion in den Clubs Geld verdienen. Bei uns sind es über 1000. In der Schweiz hat die jetzige Konstellation dazu geführt, dass in der Aussenwahrnehmung die sportliche Situation am Playoff-Strich vielfach interessanter zu sein scheint als die Frage, wer an der Spitze spielt. Ich bin überzeugt, dass mehr Planungssicherheit in Zukunft vor allem auch den kleineren Clubs dient. Denn sie können auch während und nach einer richtig schlechten Saison Vertragsverhandlungen mit Sponsoren und Spielern führen. Auf diese Weise werden auch Clubs wie den SCL Tigers oder Ambrì gute Chancen eröffnet, in den Playoffs einmal so richtig für Furore zu sorgen. Die Liga ist aber nicht geschlossen. Ein Swiss League-Meister kann auch in Zukunft in die NL einsteigen, wenn er alle sportlichen und kommerziellen Auflagen erfüllt.

3. Anzahl Ausländer
Es gibt vier Argumente, warum die Anzahl Ausländer angepasst werden muss:

  1. Ligagrösse ist nicht mehr fix. Für mehr als 12 Clubs gibt es nicht genügend qualifizierte Schweizer Spieler.
  2. Das Abkommen mit der NHL erlaubt es, den nordamerikanischen Clubs bis spätestens Mitte Juli jeden Spieler aus einem laufenden Vertrag in Europa zu holen.
  3. Der Spielermarkt soll aufgebrochen werden und es soll die Möglichkeit bestehen, auch einmal einen ausländischen Rollenspieler zu holen, wenn der Schweizer Spieler für die vorgesehene Rolle zu teuer oder noch nicht genug entwickelt ist.
  4. Als Schweizer Spieler gelten nur noch Spieler, die einen Schweizer Pass haben und die theoretisch für die Nationalmannschaft spielen können.


Die neue Regelung der Ligagrösse kann dazu führen, dass in der Liga auch mal 13 oder 14 Clubs mitspielen können. Dafür gibt es schlicht und einfach nicht genügend Schweizer Spieler, die sich auf NL-Niveau befinden. Jeder der nun sagt, man solle einfach Junioren einsetzen, sollte zwei Aspekte berücksichtigen. Erstens gilt in der Schweiz folgende Faustregel: Wenn aus jedem Junioren-Jahrgang ein Spieler aus jedem Club den Sprung zu den Profis schafft, ist das sehr gut. Zweitens ist es nach wie vor unser Anspruch, den Leuten eine attraktive und spannende Meisterschaft bieten zu können. Dies zu der Ligagrösse.

Das Abkommen mit der NHL bedeutet, dass es für uns Clubs in Zukunft interessant sein wird, Spieler für die NHL auszubilden. Wenn nämlich ein Spieler aus einem Club den Sprung in die nordamerikanische Liga schafft, gibt es dafür rund Fr. 250'000.– Entschädigung. Was sehr gut ist. Aber wenn ein Schweizer Club im Juni seinen Torhüter und seinen besten Spieler verliert, hat er keine Chance, einen solchen Abgang auf dem Schweizer Markt auch nur einigermassen gleichwertig zu kompensieren. Und schon gar nicht kann er NHL-taugliche Spieler durch Junioren ersetzen. Für einen in diesem Sinn betroffenen Club ist die aktuelle Saison gelaufen, zumindest muss er sich zuvor gehegte Titelaspirationen abschminken. Ein Beispiel: Bei uns wären Abgänge von Leonardo Genoni und Mark Arcobello in der Saison 2018/19 verheerend gewesen und wir hätten wohl kaum den Titel gewonnen.

Auf der anderen Seite wird es für die Clubs unter den neuen Umständen sehr interessant, eine gute Juniorenförderung zu betreiben. Denn jeder Junior, der den Sprung über den Atlantik schafft, bringt Geld in die Kasse und jeder, der knapp scheitert, wird mit grosser Wahrscheinlichkeit ein guter bis sehr guter NL-Spieler. Deshalb und gerade auch wegen dem NHL-Deal werden die eigenen Junioren gefördert werden müssen. Aber sie werden sich auch beweisen und um ihre Plätze kämpfen müssen.

Der Markt soll aufgebrochen werden. Bereits jetzt spielen gewisse Teams mit zehn oder mehr Spielern, die keinen Schweizer Pass haben. Diese Spieler können, auch wenn sie in der Schweiz ausgebildet wurden, nicht für unsere Nationalmannschaft spielen. Im Moment spielen die Teams in der Schweiz durchschnittlich mit sieben Ausländern. Notabene häufig in Rollenfunktionen, und es kommt niemandem in den Sinn zu sagen, dass diese Spieler als Ausländer nicht gut genug seien, auch wenn sie keine Stars sind. Also, wenn in Zukunft ein Flügel für die dritte Linie gesucht wird, für den es auf dem Schweizer Markt nur einen verfügbaren Spieler gibt, dann soll es möglich sein, stattdessen einen Ausländer zu verpflichten. Denn wenn genau dieser Schweizer Spieler von zwei Clubs gesucht wird, geht der Preis automatisch hoch. Insbesondere auch dann, wenn gerade kein geeigneter und bereits entsprechend gereifter Junior da ist. Denn auch in Zukunft soll gelten, dass «einfach nur jung sein» keinen Platz garantiert. Für die Plätze sollen die jungen Spieler kämpfen und sich den Einsatz im Profiteam mit Sonderschichten verdienen. Ich bin überzeugt, dass der Unterschied zwischen einem Ausländer und einem Lizenzschweizer für die Nationalmannschaft keinen Unterschied macht. Sie können nämlich beide nicht für die Schweiz spielen. Dazu kommt, dass ein härterer Konkurrenzkampf dafür sorgt, dass alle Spieler besser werden. Das hilft am Ende auch der Nationalmannschaft. Und noch ein Wort dazu, dass uns das Ausland um die auf vier Spieler beschränkte Ausländerregelung beneiden soll. Davon weiss ich nichts. Vielmehr danken uns alle ausländischen Clubs dafür, dass wir nur vier zulassen, weil es nämlich weniger Konkurrenz bedeutet. Das weiss ich mit Sicherheit, weil ich diese Diskussion als Präsident der europäischen Proficlub-Vereinigung EHC seit Jahren führe.

Zusammengefasst gilt es festzuhalten, dass es im Schweizer Naturell liegt, Veränderungen vor allem mit Kritik und Abwehrhaltung aufzunehmen. Aber das Interesse der Clubs liegt darin, das Eishockey langfristig zu sichern. Für die Fans, die Spieler und die Clubs. Wir beim SCB haben es geschafft, immer ein wenig Geld zu verdienen. Geld, das nie für Dividenden oder ähnliches verwendet, sondern immer wieder in den Club investiert wurde. Ich bin überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und damit auch das finanzielle Überleben sichergestellt wird. Und zum Schluss noch einmal: Keiner der grossen Kritiker des neuen Systems hat jemals die finanziellen Lasten eines Clubs verantworten müssen. Aber es gibt natürlich Kritiker mit Eigeninteressen.

Und noch etwas zu unserer Organisation. Unser System hat nun über zwanzig Jahre gut funktioniert. Nun ist es uns dank Corona von links und rechts um die Ohren geschlagen worden. Keine Zuschauer und geschlossene Restaurants. Die PostFinance-Arena ist seit Ende Oktober geschlossen und die Restaurants The BEEF und Lago mussten wir als letzte Betriebe auch noch schliessen. Zum zweiten Mal notabene. Dank der Hilfe der Sponsoren und Fans und der Bundesbeiträge werden wir diese Saison überleben und wir dürfen jetzt mit etwas ruhigerem Gewissen wieder planen. Es steht sogar etwas Geld zur Verfügung für die eine oder andere ausländische Verstärkung. Für die Zukunft stehen zwei Projekte an. Auf der einen Seite wollen wir die Nachwuchsbewegung weiter ausbauen, damit auch wir in Zukunft den einen oder anderen NHL-Spieler entwickeln können. Dies führt automatisch auch für unser Team zu neuen Spielern. Auch das Profiteam muss umgebaut werden, so dass wir spätestens in drei Jahren wieder um Titel mitspielen können. Bis dahin dauert es etwas. Aber um es symbolisch auszudrücken. Vor drei Wochen wurden wir aus dem Spital entlassen. Jetzt brauchen wir ein wenig Zeit. Das nächste Spiel findet am 30 Dezember gegen die SCL Tigers statt. Weil wir im Moment sieben Corona-kranke Spieler haben, die am 28. Dezember aus der Isolation entlassen werden und das Return To Play-Programm fünf Tage vorschreibt, können alle diese Spieler nicht eingesetzt werden. Schauen wir mal, wie es dann kommt.

Ich entschuldige mich für die Länge des Texts, aber er ist aus meiner Sicht wichtig. Jetzt wünsche ich im Namen des ganzen SCB Frohe Festtage und einen guten Rutsch.

DEEN